Pilze sind Organismen, die in Form eines fädigen Geflechtes (Mycel), bestehend aus reihig angeordneten, langgestreckten Zellen (Hyphen) mit Chitin-haltigem Zellwandgerüst, unter geeigneten Wärme- und Feuchtebedingungen sämtliche organische Substanz, tot oder auch lebendig, aller (Nähr-)Böden dieser Erde durchziehen können und sich geschlechtlich und/oder ungeschlechtlich vermehren. Weltweit wird ihre Zahl derzeit auf 180.000 Arten geschätzt. Das Artenspektrum umfasst Winzlinge wie den Pinselschimmel, Penicillium notatum, aus dem das Antibioticum Penicillin gewonnen wird, bis zu ein bis zwei Quadratmeter Fläche bedeckenden Fruchtkörperansammlungen auf Bäumen wie den essbaren Gemeinen Schwefelporling (Laetiporus sulfureus).
Obwohl ihre wissenschaftliche Bearbeitung bis in die heutige Zeit von Botanikern geleistet wurde, sind Pilze keine Pflanzen! Dagegen spricht schon das Chitin ihrer Zellwände, das aus Ketten von N-Acetyl-Glukosamin-Einheiten wie bei Insekten besteht, während die Zellwände von Pflanzen durch Zellulose, Ketten von β-D-Glukose, stabilisiert werden.
Die wichtigste Eigenschaft der Pflanzen, nämlich mit Hilfe spezieller Zellorganellen, den Chloroplasten, die Energie des Sonnenlichts in Kohlenstoffverbindungen (z.B. Stärke, Zucker) aus Wasser und Kohlendioxid zur Deckung des eigenen Energiebedarfs (autotrophe Ernährung) aufbauen zu können, fehlt ihnen.
Pilze sind demnach, wie Tiere und Menschen, zum eigenen Wachstum und Gedeihen darauf angewiesen, sich von anderen Organismen zu ernähren: sie sind heterotroph.
Zur Nahrungsaufnahme haben Pilze, mit Übergangsformen, drei grundlegende Ernährungsstile entwickelt: sie leben entweder als Saprobionten, als Parasiten oder als Mykorrhizapartner von grünen Pflanzen.
Saprobionten ernähren sich von der organischen Substanz toter Pflanzen und Tiere. Dieser Zersetzungsprozess ist der wirksamste natürliche Mechanismus zur Remineralisierung organischer Substanz. Der Nutzpilzforscher Jan S. Lelley, apl. Professor für angewandte Mykologie der Universität Bonn und Begründer der Gesellschaft für angewandte Mykologie und Umweltstudien (www.gamu.de), hält diese Fähigkeit der Pilze für so wichtig, dass er Forschung zur Verwertung von agrarischen Rest- und Abfallstoffen durch Fäulniszersetzer empfiehlt, zumal sie als Speisepilze einen Beitrag zur Welternährung liefern könnten.
Erfolgreiche Speisepilzzüchtung gelingt bislang hauptsächlich bei Pilzen mit saprobiontischer Ernährungsweise wie dem Zuchtchampignon (Agaricus bisporus), dem Austernseitling (Pleurotus ostreatus, i.w.S.) und dem Shiitake-Pilz (Lentinula edodes) – um die wichtigsten Züchtungen zu nennen. Eine Liste mit den aktuellen Handelsbezeichnungen kultivierbarer Speisepilze findet man auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V. unter der Rubrik „Speisepilze“ (www.dgfm-ev.de). Viele Kultivare sind auch in unserer Wildpilzflora heimisch.
Parasitische Pilze (Schmarotzer) leben auf oder in lebenden Organismen. Sie ernähren sich vom Wirt, wobei dieser nicht unbedingt absterben muss. Stirbt der Wirt können Parasiten meist saprobiontisch auf dem getöteten Organismus weiterleben, bis sie sämtliche noch vorhandenen Nährstoffe des Wirtes zersetzt haben. Parasiten haben nur dann eine Chance, einen lebenden Organismus zu befallen, wenn dieser bereits geschwächt ist. Sie tragen damit zur Auslese und zum Abbau nicht überlebensfähiger Organismen bei. Der gefürchtetste parasitische Großpilz unserer Wälder ist der Hallimasch (verschiedene Arten der Gattung Armillaria), auch bekannt als „größtes Lebewesen der Welt“ (siehe www.dgfm-ev.de oder auch Lüder, Rita, Grundkurs Pilzbestimmung, Wiebelsheim, 2007: 382). Der Hallimasch ist im rohen Zustand giftig, aber selbst auf gut gekochten Hallimasch (besonders auf Armillaria mellea) reagieren viele Menschen nach der Entfernung des Kochwassers, mit Magen-Darm-Problemen (Hallimasch = österr. Heil oder Hell im Arsch). Hallimasch-Arten können zum Verzehr nur eingeschränkt empfohlen werden.1 Auch der Wurzelschwamm (Heterobasidion annosum, kein Speisepilz) ist ein parasitischer Weißfäuleerzeuger: Ganze Fichtenschonungen, aufgeforstet an ungeeigneten Standorten, können ihm zum Opfer fallen.
Die „humanste“ Ernährungsform haben die Mykorrhizapilze entwickelt. Die symbiotische Lebensgemeinschaft zwischen Pilz und Pflanze besteht in einem ausgeglichenem Geben und Nehmen. Der Austausch erfolgt über einen engen Kontakt des im Boden lebenden Pilzgeflechts (Mycel) mit der feinen Wurzelhaarzone der (Baum-) Wurzel. Der Pilz erhält von der Pflanze energiereiche Speicherstoffe, hauptsächlich lösliche Zucker. Der Pilz versorgt die Pflanze mit Wasser, mit im Boden enthaltenen Mineralien und Nährstoffen sowie mit Wuchs- und Wirkstoffen. Ohne ihre 'Pilzpartner' würden viele Baumarten besonders auf armen Böden, ein kümmerliches Dasein fristen. Orchideen sind ohne ihren Pilz wahrscheinlich nicht einmal vermehrungsfähig.
Die Röhrlinge (Familie Boletaceae) und etliche Blätterpilz-Familien, z.B. die Familie der Täublinge und Milchlinge (Russulaceae), die zu den Mykorrhiza-Pilzen gehören, konnten bislang nicht erfolgreich gezüchtet werden. Auch die teuersten Speisepilze der Welt, die unterirdisch (hypogäisch) wachsenden Trüffel (besonders teuer: Tuber magnatum, der Weiße Piemont-Trüffel und Tuber melanosporum, der Périgord-Trüffel) gehören zu den Mykorrhiza-Bildnern.
Trüffel-Tuber
Traditionell wurden Trüffel mit aromageschulten Hunden und Schweinen gesammelt. Mit Trüffelmycel beimpfte Eichen- und Haselsetzlinge werden inzwischen insbesondere in Frankreich erfolgreich auf geeigneten kalkhaltigen, wärmebegünstigten Böden in sogenannten in Truffièren angepflanzt, die nach ca.10 Jahren beerntet werden können. Seit 2007 laufende Anbauversuche im rheinland-pfälzischen Ahrtal auf einem agrarforstlich genutzten Gelände zeigen erste Ernteerfolge. So schreibt Frank Krajewsky, verantwortlich für die Pflege der Truffière, am 20.01.2017 an die Autorin: „Es wurden Tuber uncinatum und ein Tuber hiemalbum gefunden, eine Variante von T. brumale. die wir nicht gepflanzt hatten.“ Die Rechtslage bezüglich des Sammeln, Erntens und des Anbaus von Trüffeln scheint inzwischen hinreichend geklärt in einem Vortrag von Rechtsanwalt Peter Grosse-Wiesmann auf dem 10. Trüffelsymposium des Ahrtrüffel-Vereins in Sinzig vom 3.10.2015 (siehe www.ahrtrueffel.de): zwar sind alle Tuber-Arten in Deutschland nach der Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten, BAartSchV vom 16.2.2005, zuletzt geändert am 21.1.2013, vollständig geschützt, ein agroforstlicher Anbau oder aber eine Anpflanzung mit Trüffelmycel beimpfter Hasel- oder Eichensetzlinge im Hausgarten führt jedoch nicht zu „wild lebenden“ Trüffel-Fruchtkörpern, sie dürfen somit gesammelt, verzehrt und auch vermarktet werden.Fabian Sievers baut mit Anerkennung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in der Nähe von Hannover Trüffel an, verkauft mykorrhizierte Bäume und organisiert Trüffelschulungen (siehe: www.leinebergland-trueffel.de). Auch der seit 2005 in der Oberpfalz laufenden Périgord-Trüffelanbau von Ingo Fritsch wird bereits beernet. Im Oktober 2013 machte er mit Anbauerfolgen im hohen Norden an der Ostsee Nähe Kiel Schlagzeilen: Sensation durch Klimawandel! Er hatte den extrem teuren Schwarzen Trüffels mit wissenschaftlichem Namen Tuber melanosporum Vittadini die Trüffel dorthin umgesiedelt.
Da man mit Trüffeln gute Geschäfte machen kann, ist im Handel mit Trüffeln und Trüffelprodukten mit Betrug und Täuschung zu rechnen – Anlass für René Flammer einen Leitfaden zur Analyse der im Handel vorkommenden Trüffelarten zusammenzustellen.² Der Einsatz eines Mikroskops ist zur Identifizierung der Tuber-Arten und ihrer Verwandten unerlässlich, damit aber auch eindeutig möglich. Was in Restaurants serviert wird, ist entgegen behaupteter, höherwertiger Trüffelarten sehr häufig nur die billigere Tuber indicum (Chinesische Trüffel), die ohne „Doping“ mit künstlichen Trüffelölen relativ geschmacklos ist.
Pilze sind keine Tiere, auch wenn Wildpilze auch gelegentlich als „Fleisch des Waldes“ bezeichnet werden und mancher vom Steinpilzschnitzel schwärmt, wie andere vom Jägerschnitzel, denn ihnen fehlt die wichtigste Eigenschaft von Tieren: die Fähigkeit zur Fortbewegung.
Pilze sind so anders, dass ihnen zwischen Pflanzen und Tieren, wie schon der schwedische Naturforscher Linné (1707-1778) vorgeschlagen hatte, schließlich ein eigenes Reich, die Funga, eingerichtet wurde, nachdem sie bis Ende des letzten Jahrtausends im Reich der Pflanzen eine niedere Rolle zwischen Moosen, Farnen und Schachtelhalmen einnahmen, da sie, wie diese, meist haploide, also nur einen einfachen Chromosomensatz enthaltende Sporen zu ihrer Fortpflanzung erzeugen und keine diploiden, d.h. einen doppelten Chromosomensatz enthaltene Samen, aus denen sich höhere Pflanzen und Tiere entwickeln.3
(siehe auch Stichwort 'Pilze' im Umweltlexikon des KATALYSE Instituts umweltlexikon.katalyse.de )
Wie ein Fortpflanzungszyklus im Allgemeinen bei den zur Abteilung Echte Pilze zählenden Klassen Ständerpilze und Schlauchpilze, zu denen alle zu Speisezwecken geeigneten Großpilze gehören, funktioniert, kann anhand von Skizze 1: Fortpflanzung der Ständerpilze (Basidiomycetes) und Skizze 2: Fortpflanzung der Schlauchpilze (Ascomycetes) nachvollzogen werden.
Dem aus den Sporen keimenden haploiden Mycel kann zwar kein männliches oder weibliches Geschlecht zugeschrieben werden, trotzdem können sich nur einander fremde Mycelien (+/– -Kombination) der gleichen Art zu der geschlechtlichen, neue Sporen bildenden Form vereinigen.
Ständerpilze
(Foto E. Wandelt 2010)
(Foto E. Wandelt 2015)
Schlauchpilze
(Foto E. Wandelt 2015)
(Foto W. Schulz 2009)
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