Backenzyme aus Pilzen und Bakterien

Spezielle Getreidezüchtungen haben dazu geführt, dass heute ein Enzymmangel im Getreide besteht, der durch künstliche Zugaben ausgeglichen wird. Ein bestimmter Enzymgehalt ist für ein gutes Backverhalten notwendig. Mit Ausnahme der Haushaltsmehle werden fast sämtliche Weizenmehle enzymatisch behandelt.

Hauptsächlich wird mit Amylasen (stärkeabbauenden Enzymen) und Proteasen (eiweißabbauenden Enzymen) gearbeitet. Sie unterstützen die Hefegärung und verbessern damit Volumen, Krustenbildung, Krumenzartheit und Geschmack des Brotes. Amylasen werden gegen das »Altbackenwerden« eingesetzt und sind Bestandteil von Tiefkühlbackwaren. Enzyme werden bereits in der Müllerei eingesetzt. Um die Backfähigkeit zu erhöhen, wird bei Weizenmehlen mit Schimmelpilzamylasen gearbeitet, da diese weitaus billiger sind als die früher verwendeten Malzmehle. Roggenmehle hingegen bleiben in der Regel unbehandelt. 

Der Bäcker setzt Enzyme zur Erhöhung der Teig- und Gärstabilität sowie eine verbesserte Frischhaltung ein. Bäckermeister wissen oft nicht, dass sie mit herangezüchteten Amylasen aus Pilzen und Bakterienkulturen arbeiten, weil Enzyme laut § 11 LMBG nicht zulassungspflichtig sind und auch keiner Kennzeichungspflicht unterliegen. Getreideeigene Enzyme werden bei Temperaturen von 80 °C inaktiv, Schimmelpilzenzyme bei einer Temperatur von 50 bis 60 °C. Brauchbare Untersuchungsergebnisse über die allergische Potenz von Enzymen vor, während und nach dem Backprozess liegen noch nicht vor.

Eine großangelegte Studie der Berufsgenossenschaften Mannheim beschäftigt sich derzeit mit dieser Fragestellung. Fachleute halten die oc-Amylase eindeutig für einen Auslöser von Allergien. Nachgewiesen wurde eine besondere Sensibilität der Bäcker (Bäckerasthma), die ja die Amylase über den Mehlstaub und die Atmung aufnehmen. Seit 1991 sind durchschnittlieh 2000 Erkrankungen pro Jahr festgestellt worden; 1970 waren nur 300 Fälle gemeldet worden.

Nach Aussagen des Chemischen Untersuchungsamts Stuttgart kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die allergene Wirkung der Amylasen durch den Backprozess nicht vollständig zerstört wird. Aus gesundheitlichen Gründen muss eine Kennzeichnungspflicht für die eingesetzten Enzyme und Zusatzstoffe bei Brot und Backwaren vorgeschrieben werden. Diese Kennzeichnungspflicht sollte sich nicht nur auf die Verpackungen der Fertigmischungen für die Bäcker beschränken, sondern auch für fertige Brote und Backwaren gültig sein. Nach einer Umfrage der Verbraucherzentrale Hamburg im Jahr 1992 konnten nur etwa 30 Prozent des Verkaufspersonals Auskunft über die Brotzusammensetzung geben und das meist auch nur unvollständig. 76 Prozent der Bäcker erhielten von der Zulieferindustrie Fertigteigmischungen und verarbeiteten diese, ohne über deren Inhaltsstoffe informiert zu sein.

Der Bundesverband der deutschen Backmittelindustrie kommentierte in der Zeitschrift »Brot und Backwaren« im März 1993: »Bäckerei-Fachverkäuferinnen müssen verunsicherte Kunden fachlich kompetent über die wahren Sachverhalte um die Lebensmittelzusatzstoffe aufzuklären wissen, damit die Produkte des backenden Gewerbes ihre Glaubwürdigkeit behalten.« Eine vernünftige, jedoch kaum erfüllbare Forderung, denn was der Bäcker nicht weiss, wird auch die Verkäuferin nicht wissen.

Erste gentechnische Eingriffe in die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) wurden Ende der 80er Jahre in Großbritannien vorgenommen. Nun soll die Hefe Enzyme selbst bilden können, die bislang beim Herstellungsprozess von Teigwaren zugesetzt werden mussten. Ein solcher transgener Hefestamm kann durch gentechnische Veränderung seines Erbguts schneller Glukose vergären und damit verstärkt Kohlendioxid bilden. Das »Aufgehen« von Brot- und Brötchenteig kann auf diese Weise im Vergleich zu konventionellen Hefepilzen beschleunigt werden. Bereits 1990 haben die britischen Behörden die manipulierten Hefestämme zur kommerziellen Nutzung im Bäckergewerbe freigegeben, nach Angaben des Herstellers wurden sie jedoch bisher nicht verkauft.
Stand: November 2010

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