Die Eigenschaft vieler Pilze, Mineralien und Metalle aus ihrer Umgebung anzureichern, ist seit langem bekannt. Bedauerlich, dass dazu auch die Schwermetalle Cadmium, Blei und Quecksilber gehören. Die allgemeine Fähigkeit zu dieser Anreicherung wird durch den von höheren Pflanzen stark abweichenden Stoffwechsel verständlich.34 Die chlorophyllhaltigen grünen Pflanzen nehmen aus dem umgebenden Substrat fast ausschließlich Mineralstoffe auf, den Kohlenstoff beziehen sie aus der Luft. Im Gegensatz dazu sind Pilze aufgrund ihres heterotrophen Stoffwechsels darauf angewiesen, die organischen Substanzen des Substrats aufzuschließen und daraus sowohl organische wie anorganische Stoffe aufzunehmen. Ursache der Schwermetallbelastungen sind natürlich schwermetallhaltige Böden, Emissionen von Industriestandorten und Kraftfahrzeugen. Die Wälder – bevorzugte Standorte für Pilze – fungieren als Filter für Feinstaub und Aerosole, sodass ihre Belastung mit Schwermetallen größer ist als in anderen Ökosystemen. Quecksilber wird schnell an Humuspartikel gebunden, wodurch in der oberen humusreichen Bodenschicht eine Anreicherung erfolgt. Gleiches gilt für Blei und Cadmium. Bei Versauerung des Bodens, so auch durch „sauren Regen“, können große Teile dieser Schwermetallmengen in Lösung gehen und von den Pilzen aufgenommen werden. Einen Überblick über die Schwermetallkonzentrationen in verschiedenen Pilzarten hat das Landesuntersuchungsamt Nordbayern35 erstellt, aus der noch einmal hervorgeht, dass manche Speisepilze zu artspezifischer Anreicherung neigen. Selbst in Gegenden, die weit von industriellen Produktionsstätten lagen, wurden stark cadmiumhaltige Pilze gefunden.36
Der Parasol (Macrolepiota procera) und der Wiesenchampignon (Agaricus pratensis) weisen bei allen drei gemessenen Schwermetallen die mit Abstand höchsten Konzentrationen auf. Ferner fällt auf, dass sie im Boden vorhandenes Quecksilber auf die vier- bis fünffache Bodenkonzentration anreichern. An Fruchtkörperuntersuchungen einiger anderer Wildpilze, zeigte sich, dass Cadmium und Quecksilber nicht immer gleichmäßig im Fruchtkörper verteilt sind. Der Schafchampignon (Agaricus arvensis) enthielt in den Hüten wesentlich größere Cadmium-Mengen als in den Stielen.37 Bei Steinpilzen, Wiesenchampignons und Waldchampignons war der Quecksilbergehalt im Hut doppelt so hoch wie im Stiel.38 Vor allem die Röhren bzw. die Lamellen trugen zu dem erhöhten Quecksilbergehalt im Hut bei. Pfifferlinge enthielten Quecksilbermengen unter 0,05mg/kg, während die Quecksilbergehalte der Champignons und Steinpilze durchweg höher lagen.39 Eine Art- bzw. Gattungsabhängigkeit des Bleigehaltes ist – anders als bei Cadmium und Quecksilber – nicht nachweisbar.40 In unmittelbarer Nachbarschaft von Bleihütten wachsende Pilze wiesen einen stark erhöhten Bleigehalt auf 41, ansonsten bewegen sich die gefundenen Bleimengen im Rahmen üblicher Obst- und Gemüsewerte.42 Bei einer ausgiebigen Pilzmahlzeit von, sagen wir, 500 g Frischpilz/Person können durchaus die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation für Cadmium und / oder Quecksilber erreicht werden. Deshalb gibt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für den Verzehr von Wildpilzen die Empfehlung, nicht mehr als 200 – 250 g Wildpilze/Woche zu essen. Da das Chitin der Pilzwände für Menschen unverdaulich ist und damit ein Großteil eines gegessenen Pilzes unverdaut wieder ausgeschieden wird, stellt sich die Frage, wie viel des im Fruchtkörper vorhandenen Schwermetalls tatsächlich vom Körper aufgenommen wird. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das in Pilzgerichten vorhandene Cadmium zu 90 % wieder ausgeschieden wird.43
Bei Zuchtpilzen wie Champignons, Austernpilzen und Shiitake wurden keine erhöhten Schwermetallwerte gemessen. Der Verzehr von Kulturpilzen ist, was Schwermetallgehalte betrifft, völlig ungefährlich.
Aber Pilze können noch mehr: sie reichern auch radioaktive Nuklide (s.u.), Herbizide, Insektizide und Fungizide an, um hier bei den für den menschlichen Körper schädlichen zu bleiben. Eigentlich essbare Pilzarten, die gern auf konventionell bewirtschafteten Feldern fruktifizieren, z.B. Volvariella gloiocephala, der Größte Scheidling oder Acker-Scheidling, sind von solchen Standorten nicht zum Verzehr geeignet – und Vorsicht, auch Golfplätze werden gern frisch-grün gespritzt. Wiesenchampignons (Agaricus campestris) von derartigen Standorten lösen durchaus eine Magen-Darm-Vergiftung aus.44
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