In ihren ersten sechs Lebensmonaten werden die meisten Säuglinge gestillt. Dabei nehmen sie nicht nur Nährstoffe über die Muttermilch auf, sondern auch Schadstoffe. Im Folgenden wird aufgezeigt, um welche Schadstoffe es sich handelt und wie sich die Entwicklung der Schadstoffkonzentrationen in der Muttermilch in der letzten Jahren verändert hat.
Auf keinen Fall jedoch sollte sich eine Mutter dadurch entmutigt fühlen, ihr Kind zu stillen. Ganz im Gegenteil: Stillen ist wichtig für die körperliche Entwicklung des Kindes und die psychische Kommunikation zwischen Mutter und Kind. Viele Stoffe, die in die Umwelt gelangen und dort nicht oder nur sehr langsam abgebaut werden, reichern sich in der Nahrungskette an. Die meisten langlebigen Schadstoffe nimmt der Mensch mit der Nahrung auf. Dies wird unter anderem dadurch belegt, dass Untersuchungen keine Unterschiede in der Belastungshöhe der Muttermilch von Frauen aus ländlichen und städtischen Gebieten ergeben haben.
Die Muttermilch des Menschen, der am Ende der Nahrungskette steht, ist eines der am höchsten mit Umweltkontaminanten belasteten Nahrungsmittel. Bei den in ihr nachweisbaren Schadstoffen handelt es sich meist um schwer abbaubare Chlorkohlenwasserstoffe, die wegen ihrer guten Fettlöslichkeit im Fettgewebe der Mutter gespeichert und über die Milch an das Kind abgegeben werden. In den Chemischen Landesuntersuchungsanstalten wird Muttermilch seit Anfang der achtziger Jahre auf verschiedene Pestizide und polychlorierte Biphenyle (PCB) sowie auch auf Schwermetalle (Blei, Cadmium, Quecksilber) untersucht. Seit einiger Zeit existieren nun Analysemethoden, um auch
polychlorierte Dibenzodioxine (PCDD) und polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) nachzuweisen. PCDD und PCDF gehören ebenfalls zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen.
Schon vor einigen Jahren wurde in einer Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft festgestellt, dass Muttermilch, gemessen an den gesetzlichen Höchstmengen für DDT und andere Pestizide in Lebensmitteln, für den Lebensmittelverkehr kaum noch geeignet wäre. Die durchschnittlichen Belastungswerte liegen je nach Schadstoff fünf- bis hundertmal höher als in Kuhmilch.
Schädlingsbekämpfungsmittel auf der Basis chlorierter Kohlenwasserstoffe sind, mit Ausnahme von Beta-Hexachlorcyclohexan (Beta-HCH oder Lindan), in den meisten westeuropäischen Industrieländern schon seit einiger Zeit verboten. Es zeigt sich, dass die wichtigsten schwer abbaubaren Substanzen wie DDT und HCB in ihrer Konzentration in Muttermilch deutlich zurückgehen.
Das Landesuntersuchungsamt Münster fand 1991 durchschnittliche PCB-Gehalte von 0,125 bis 0,254 mg PCB/kg Fett je nach PCB-Variante. Polychlorierte Biphenyle kommen in der Muttermilch in Konzentrationen vor, die über den Richtwerten der Deutschen Forschungsgemeinschaft und um das Drei- bis Fünffache über den Werten der Schadstoffhöchstmengenverordnung für Kuhmilch liegen. In einigen neueren Untersuchungen wurde ein leichter Rückgang der PCB-Belastung der Muttermilch festgestellt.
Eine stillende Mutter gibt monatlich etwa 0,8 Milligramm PCB, das entspricht etwa drei Prozent ihrer Gesamtbelastung, mit der Milch ab.
Abhängig ist der PCB-Gehalt (neben der Ernährung) noch vom Alter der Mutter, der Stilldauer und der Anzahl der bereits gestillten Kinder. So kann die Belastung der Muttermilch beim fünften gestillten Kind nur noch halb so hoch sein wie beim Stillen des ersten Kindes.
Auch die Kontamination der Muttermilch mit Dioxinen ist, verglichen mit anderen Lebensmitteln, relativ hoch. Wird ein Säugling gestillt, so kann er mit dem Vierzigfachen der üblicherweise täglich von einem Erwachsenen aufgenommenen Dioxinmenge belastet werden.
Bei den Stoffgruppen der Dioxine und PCB werden heute meist die Konzentrationen von einzelnen ihrer Vertreter (Kongenere) gemessen. In ihrer Giftigkeit unterscheiden sich die diversen Kongenere aber erheblich. Die PCB sind im Allgemeinen wesentlich weniger giftig als die Dioxine, kommen aber in der Muttermilch in höheren Konzentrationen vor. Man hat versucht, mit Hilfe von so genannten Toxizitätsäquivalenten Dioxine und PCB bezüglich des Risikos, das sie in der Muttermilch darstellen, näherungsweise miteinander zu vergleichen. Weil aber Langzeitstudien fehlen, ist derzeit kaum zu beurteilen, welche Risiken von PCDD, PCDF und PCB für den jungen Organismus ausgehen.
Insgesamt kann man sagen, dass die Muttermilch von Frauen, die sich über Jahre vegetarisch und mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln ernährt haben, vergleichsweise wenig Chlorkohlenwasserstoffe aufweist. Eine Ernährungsumstellung zum Zeitpunkt der Schwangerschaft oder in der Stillzeit ist für die Gesundheit der Mutter sicherlich von Nutzen, hat dann aber kaum noch Einfluss auf den Schadstoffgehalt ihrer Milch.13 Durch einen Abbau der Fettreserven während der Schwangerschaft kann es sogar zu einem verstärkten Übergang der Schadstoffe ins Blut kommen und damit zu einer intensiveren Belastung des Fötus.
Frauen können ihre Milch bei einem Lebensmitteluntersuchungsamt oder dem zuständigen Gesundheitsamt in der Regel kostenlos untersuchen lassen. Im Anhang des Buches sind die entsprechenden Adressen der Institutionen aufgeführt, die solche Untersuchungen durchführen.
Zur kostenlosen Untersuchung muss mindestens eines der nachfolgenden Kriterien erfüllt sein:
Die Mutter muss (a) über 30 Jahre alt sein und ihr erstes Kind stillen,
(b) stark übergewichtig sein,
(c) beruflich häufig Kontakt mit Chemikalien oder Pflanzenschutzmitteln haben oder
(d) länger als vier Monate stillen.
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