2016 ist gerade erst die Halbwertszeit von 30 Jahren für radioaktives Cäsium-137und für Strontium-90, die 1986 zusammen mit anderen radioaktiven Isotopen durch den Reaktorunfall von Tschernobyl freigesetzt wurde, erreicht. Das bedeutet bis heute: in manchen deutschen Regionen, besonders in Südbayern und im bayrischen Wald und mancherorts lokal also auch in Sachsen oder Niedersachsen, wo durch Ostwind und Regen besonders viel der westwärts ziehenden Wolke niederging, werden weiterhin hohe Belastungen von Waldpilzen nachgewiesen. Die Konzentrationen für langlebige Radionuklide, als Leitnuklid gilt Cäsium-137, sind zwar stark abnehmend,45 dennoch sind bayrische Wildpilz-Gourmets gut beraten, vor Verzehr die Pilze ihrer Wahl auf radioaktive Belastungen untersuchen zu lassen, denn die empfohlene Begrenzung der Wildpilzportionen auf maximal 250 g Frischwildpilz/Woche bedeutet nicht automatisch, dass damit der Grenzwert für Nahrungsmittel von 600 Bq/kg für Cäsium-137 eingehalten wird. Dieser Grenzwert für Nahrungsmittel von derzeit 600 Bq/kg und 370 Bq/kg für Säuglingsnahrung und Milch wurden Ende März 2010 für eingeführte und heimische Produkte für weitere 10 Jahre festgeschrieben. Den Experten des Umweltinstituts München e.V. wie auch Strahlenbiologen und vielen Ärzten sind diese Grenzwerte viel zu hoch ist: sie fordern 30 – 50 Bq/kg bei Nahrung für Erwachsene und 10 – 20 Bq/kg für Kinder, stillende und schwangere Frauen, bei Babynahrung bis 5 Bq/kg Cäsium-137-Aktivität zum Schutz vor Strahlenschäden (der Schutz ist ohnehin nur statistischer Natur). Das Ökoinstitut München e.V. untersucht alljährlich von August bis Ende Oktober eingereichte Pilz-Proben kostenlos und stellt die Ergebnisse in seiner Waldproduktliste zusammen. Auch 2015 führt der Semmelstoppelpilz zusammen mit dem Maronenröhrling – um hier nur zwei beliebte und häufige Speisepilze zu nennen – die Belastungsliste für Cäsium-137 an. Bei den Maximalwerten wird der geltende Grenzwert von 600 BQ/kg um das zwei- bis dreifache überschritten. Untersucht man Stiele und Hüte getrennt auf ihren Gehalt an Cäsium-137, ist durchweg im Hut eine ca. doppelt so hohe Konzentration wie im Stiel nachzuweisen. Beim Maronenröhrling ist in besonderem Maße die braune Huthaut, deren Färbung auf ein Kaliumsalz zurückzuführen ist, dafür verantwortlich, denn Cäsium wird anstelle des Kaliums in die Huthautzellen eingebaut.46 Die verschiedenen essbaren Champignon-Arten (Agaricus spec.) sowie Riesenschirmpilze wie Parasol (Macrolepiota procera) oder Safranschirmpilz (Chlorophyllum rachodes) sind erwartungsgemäß gering belastet, leider gilt das für ihre Schwermetallbelastungen (s.o) nicht.
Wir wollen nicht wiederholen, was andere bestens aufgearbeitet haben, deshalb sei hier ausdrücklich auf die Website des unabhängigen Umweltinstituts München e.V. hingewiesen: Unter www.umweltinstitut.org findet sich sogar eine pdf-Datei der Broschüre „Pilze und Wild – Tschernobyl noch nicht vergessen“ zum Herunterladen, die alles Wichtige zu diesem Thema von Bodenbelastung in Deutschland bis Pilzökologie, Gesundheitsschädlichkeit radioaktiver Strahlung, Rechtslage, Messwerten, Kontakten und Verzehrsempfehlungen bietet. Ja, und natürlich, wie man vorgehen muss, um seine Pilze hier von August bis Oktober kostenlos (Spenden erwünscht) untersuchen lassen zu können.
Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) untersucht Pilzproben auf Cäsium-137 hin. Die Bayerischen Messergebnisse sind im Internet abrufbar unter http://inters.bayern.de/umweltproben/php/formular.php .
2010 hat auch der Paderborner Umweltschutzverein in kleinem Umfang Wildpilze aus den Wäldern um Paderborn und vom Wochenmarkt auf Cäsium-137 untersucht und konnte erfreulich niedrige Radioaktivitätsgehalte verkünden: mit 71 Bq/kg lag der Maronenröhrling am höchsten und es gab sogar Werte unter der Nachweisgrenze z.B. bei Maipilzen oder getrockneten Pfifferlingen. 47 Weitere hilfreiche Tipps findet man unter www.test.de/themen/essen-trinken/special/Wildpilze.
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